Blutgruppe Bombay

Die unsichtbare Bedrohung: Welche Gefahren die seltene Blutgruppe birgt

Bluttransfusionen werden häufiger benötigt, als die meisten Menschen annehmen. In Deutschland werden täglich rund 15.000 Blutkonserven für Operationen, die Behandlung schwerer Krankheiten wie Krebs und zur Versorgung von Unfallopfern gebraucht. Wenn dann keine Kenntnis darüber besteht, dass der Patient/die Patientin die Blutgruppe Bombay hat, kann das schlimme gesundheitliche Folgen haben.

Eine Besonderheit, die problematisch werden kann

Bei Bombay denken wohl die meisten an das exotische, weit entfernte Indien – und nicht an eine seltene Blutgruppe. Doch als der indische Wissenschaftler Y. M. Bhende Mitte des vergangenen Jahrhunderts in Bombay, dem heutigen Mumbai, auf auffälliges Blut bei seinen Patienten stieß, machte er die Entdeckung einer weiteren, fünften Blutgruppe. Das Besondere an dieser Blutgruppe: Sie ist nicht mit anderen Blutgruppen kompatibel – doch die Inkompatibilität wird bei normalen Bluttests nicht erkannt. 

Warum sind nicht alle Blutgruppen verträglich?

Die Kompatibilität von Blut wird durch mehrere Faktoren bestimmt. Eine entscheidende Rolle spielen dabei die AB0-Blutgruppen (A, B, AB, 0) und der Rhesusfaktor (Rh-positiv oder Rh-negativ). Kompatibles Blut hat die gleiche AB0-Blutgruppe und den gleichen Rhesusfaktor (positiv zu positiv oder negativ zu negativ).

  • Die Blutgruppen basieren darauf, dass unsere roten Blutkörperchen unterschiedliche Merkmale und Antigene besitzen. Personen mit Blutgruppe A haben beispielsweise Antigene vom Typ A auf ihren roten Blutkörperchen, während Personen mit Blutgruppe B Antigene vom Typ B haben. Wenn nicht-kompatibles Blut transfundiert wird, erkennt das Immunsystem diese Antigene als fremd, was eine immunologische Reaktion auslösen kann, um sie zu bekämpfen.
  • Der Rhesusfaktor ist ein Protein, das sich auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen befindet (Rh-positiv) oder fehlt (Rh-negativ). Konflikte zwischen Rh-positivem und Rh-negativem Blut können ebenso wie bei inkompatiblen Blutgruppen zu immunologischen Reaktionen führen.

Sie haben Blutgruppe 0?

Dann gehören Sie möglicherweise zu den äußerst seltenen Trägern der Blutgruppe Bombay. Bei einer standardmäßigen Blutgruppenbestimmung wird bei Personen mit der Blutgruppe Bombay oft fälschlicherweise angenommen, dass sie Blutgruppe 0 haben. Zur Blutgruppenbestimmung werden nämlich spezifische Antikörper verwendet, um zu prüfen, ob Antigene auf den roten Blutkörperchen vorhanden sind. Bei Menschen mit der Blutgruppe Bombay fehlen jedoch bestimmte Antigene (A, B und AB) auf den Oberflächen ihrer roten Blutkörperchen.

Auf 300.000 Blutspenderinnen und -spender kommt in Deutschland nur eine einzige Person mit Bombay-Blut.

Deutsches Rotes Kreuz

Unsichtbare Gefahr

Wenn das Blut einer Person mit der Blutgruppe Bombay mit Antikörpern für A, B oder AB in Kontakt kommt, tritt keine sichtbare Verklumpung (Agglutination) oder andere Reaktion auf, wie es bei den anderen Blutgruppen der Fall wäre. Menschen, die „Bombay-Blut“ haben, besitzen jedoch Antikörper gegen die Grundsubstanz der anderen Blutgruppen A, B, AB und 0 und sogar gegen die Blutgruppe 0 negativ, die ansonsten universell verträglich ist. Deshalb können sie ausschließlich Blut derselben Blutgruppe transfundiert bekommen.

Schwerwiegende Folgen

Eine unverträgliche Bluttransfusion kann zu schweren Komplikationen und sogar zum Tod führen. Das Immunsystem des Empfängers erkennt das fremde Blut als etwas Schlechtes an und beginnt, Antikörper dagegen zu produzieren. Diese Antikörper greifen die roten Blutkörperchen des Spenderbluts an und zerstören sie.

Das kann dazu führen, dass …

  • die roten Blutkörperchen platzen, was zu einer Blutarmut (Anämie) führt
  • die Nieren geschädigt werden
  • gefährliche Substanzen freigesetzt werden, die den Körper schädigen.

Um solche Reaktionen zu vermeiden, ist es wichtig, vor einer Bluttransfusion sorgfältig zu prüfen, ob das Blut des Spenders und des Empfängers zusammenpassen. Ebenso ist es von Vorteil, wenn Sie Ihre Blutgruppe kennen und als „Risikoperson“ (Träger*in der Blutgruppe 0, asiatische/indische Herkunft) ggf. auf Bombay-Blut testen lassen.

Einer von einer Million

Die Blutgruppe ist so selten, dass sie bei nur etwa 0,0004 % der Weltbevölkerung vorkommt – das sind schätzungsweise rund 20.000 Menschen weltweit. In Europa ist nur 1 von 1 Million Menschen betroffen. Eine asiatische bzw. indische Herkunft erhöht zudem die Wahrscheinlichkeit, diese genetische Besonderheit zu haben, da in diesen Regionen die meisten Menschen mit Bombay-Blut leben und Blutgruppen vererbt werden. Das Blut ist dementsprechend besonders wertvoll und wird deshalb kryokonserviert, also durch flüssigen Stickstoff bei -196°C tiefgekühlt und für rund zehn Jahre haltbar gemacht. Diesen hohen Aufwand betreibt man, weil frische Blutkonserven in kaum einem Blutdepot in ausreichender Menge vorrätig sind und reguläre Blutpräparate zudem nur rund 35 Tage haltbar sind.

Heiß begehrte Blutkonserven

Die Blutspendedienste arbeiten auch weltweit zusammen, um den Patienten und Patientinnen mit seltenen Blutgruppen zu helfen. Im Zentrum für Transfusionsmedizin (ZTM) in Hagen lagert das Deutsche Rote Kreuz die seltenen Blutkonserven mit Bombay-Blut. Meist sind es zwischen fünf und zehn Konserven. Menschen mit dieser speziellen Blutgruppe können aber auch Blut zur autologen Verwendung spenden. Das bedeutet, dass sie sich selbst einen Blutvorrat anlegen, den nur sie selbst bei Bedarf in Anspruch nehmen dürfen.

Weltweite Vernetzung

Nicht nur Bombay, sondern auch andere seltene Blutgruppen wie RhD-, Rh-Null oder LAN stellen eine Herausforderung dar. 

  • RhD-: Menschen mit Rhesusfaktor D negativem Blut haben kein Rhesusfaktor D-Protein auf ihren roten Blutkörperchen.
  • Rh-Null: Bei Menschen mit Rhesusfaktor 0 fehlen der Rhesusfaktor und auch andere Rhesusantigene auf den roten Blutkörperchen.
  • LAN: Menschen mit Lutheran Antigen Negative Blut fehlen bestimmte Antigene der Lutheran-Blutgruppensysteme auf den roten Blutkörperchen. 

Die Blutspendedienste arbeiten auch weltweit zusammen, um den Patienten und Patientinnen mit seltenen Blutgruppen zu helfen. Eine gute Vernetzung unter anderem mit Blutbanken in Amsterdam, Paris, Wien oder Bristol sorgt dafür, dass sich nach Möglichkeit ausgeholfen werden kann.

Seltenheit bringt hohen Aufwand mit sich

Bombay-Fälle sind schon seit Bekanntheit ein Problem für Blutspendedienste. Bei einem regulären Blutbedarf können sie zwar in der Regel ausreichend versorgt werden, der Aufwand und die Kosten sind jedoch sehr viel höher als bei anderen Blutgruppen. Wie viele Menschen in Deutschland die Bombay-Blutgruppe haben, kann nur geschätzt werden; in Deutschland selbst werden es aber aufgrund der generellen Seltenheit sehr wenige sein. Es wird geschätzt, dass die Häufigkeit der Blutgruppe Bombay bei weniger als 0,0001% der Bevölkerung liegt.

Veröffentlicht: 20.07.2023 - Aktualisiert: 27.07.2023